Durch Beziehung Brücken bauen

Ulrike Moes (von links), Renate Fengler, Maike Hartmann und Bettina Mohr diskutieren über die Vorträge der Expertinnen; Bildquelle: Heinze/Malteser

Hannover (mhd). Das Gefühlsleben von demenziell erkrankten Menschen ist bisher kaum erforscht. Ein Fachtag der Malteser in der Diözese Hildesheim und der Alzheimer Gesellschaft Hannover hat nun dieses Thema in den Mittelpunkt gerückt. „Merkt ihr, dass ich traurig bin? Eine Annäherung an das Erleben demenziell veränderter Menschen“, lautete der Titel der Veranstaltung am Mittwoch, 6. November, in Hannover.

Rund 90 ehrenamtliche Helfer aus der Hospizarbeit, der Alzheimer Gesellschaft und auch eine Anzahl hauptamtlicher Pflegekräfte nutzten die Chance zur Fortbildung in medizinischer, sozialpädagogischer und theologischer Sicht.

Vielen Witzen über demente Menschen ist gemeinsam, dass sie die Betroffenen auf das Vergessen reduzieren. Der scheinbare Humor bedient damit ein Klischee, das den Erkrankten nicht gerecht wird. Das haben die drei Referentinnen, die Ärztin Dr. med. Ursula Sottong, die Diplom-Theologin Dr. phil Carmen Birkholz und die Sozialpädagogin Nadine Gruschinski an dem Fachtag in Vorträgen und Workshops in unterschiedlicher Weise klar gemacht.

„Demenz ist eine emotionale Erkrankung“, sagte Gruschinski in ihrem Vortrag über „Beziehung als Brücke zur Welt von Menschen mit Demenz“. Diese Menschen seien in ihrem letzten Lebensstadium eine „besonders verletzliche Personengruppe“, verdeutlichte die Sozialpädagogin auf der Basis ihres langjährigen Umgangs mit Betroffenen. Dieser Umgang hat Gruschinski gelehrt: „Der Aufbau einer Beziehung ist die Brücke in die Welt der Dementen“.

„Menschen mit Demenz spüren, dass das Leben zu Ende geht“, betonte die Referentin. Doch das konkrete Einsetzen des Sterbeprozesses bei Dementen werde oft nicht bemerkt, auch nicht von Pflegekräften. Und das, obgleich es von Schmerzen und Schluckbeschwerden über Pflegeabwehr bis hin zur Nahrungsverweigerung durchaus Indikatoren für den Beginn des Sterbens bei Dementen gibt. Gruschinski plädierte daher für mehr palliative Versorgung von Demenzkranken in Deutschland.

Die Ärztin Dr. Ursula Sottong stellte bei ihrem Vortragsthema „In Kontakt bleiben bis zum letzten Atemzug“ die Leitfrage „Wer ist der Mensch und was braucht er von mir?“ in den Mittelpunkt. „Auch jemand mit Demenz will wahrgenommen werden als Person“, betonte die Leiterin der Fachstelle „Demenz“ im Generalsekretariat des Malteser Hilfsdienstes in Köln in ihrem mit vielen erhellenden Beispielen gespickten Vortag. In der Begegnung mit Demenzkranken sollten deshalb beispielsweise auch die Kranken selbst angesprochen und Gespräche nicht stellvertretend mit den begleitenden Angehörigen geführt werden.

Die Diplom-Theologin Dr. phil Carmen Birkholz hatte zuvor dafür geworben, neben der Demenz als degenerativer, neurologischer Erkrankung auch andere Deutungsmuster zuzulassen. Als Beispiele nannte sie eine „neue, menschliche Seinsweise“, eine „natürliche Art der Gehirnalterung“ oder – so ihr eigener Ansatz – ein „Ausdruck der (geistigen) Fragilität im Alter“. „Mit den Beschreibungen werden auch Stigmata weitergeben“, sagte Birkholz. Außerdem lenkte sie den Blick auf die Trauer als „natürliche Reaktion auf den Verlust eines Menschen, einer Sache oder einer Gewohnheit, zu der eine emotionale Bindung bestand“.

Bei den – weit überwiegend – Besucherinnen des Fachtages kamen die Vorträge gut an. Ina Schott beispielsweise sah sich in ihrer Meinung bestätigt, dass die Angehörigen-Arbeit politisch mehr gewürdigt werden müsse. Maike Hartmann fand es „sehr gut, dass der Aspekt der Trauer in den Mittelpunkt gerückt wurde. Das ist ein Gefühl, das Erkrankte und Angehörige lange begleitet.“

Im Anschluss wurden die Themen der Vorträge in Workshops noch vertieft. Moderiert haben die Veranstaltung im hannoverschen Don-Bosco-Haus Elfriede Kollarz, Leiterin des Referates Soziales Ehrenamt des Malteser Hilfsdienstes in Hannover und die Vorsitzende der Alzheimer Gesellschaft Hannover, Theresia Urbons.


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